Blog für Philosophie

Schlagwort: Miteinander

»Man wird mich schwer davon überzeugen, daß die Geschichte des verlorenen Sohnes nicht die Legende dessen ist, der nicht geliebt werden wollte. Da er ein Kind war, liebten ihn alle im Hause. Er wuchs heran, er wußte es nicht anders und gewöhnte sich an ihre Herzweiche, da er ein Kind war. Aber als Knabe wollte er seine Gewohnheiten ablegen. Er hätte es nicht sagen können, aber wenn er draußen herumstrich den ganzen Tag und nicht einmal mehr die Hunde mithaben wollte, so wars, weil auch sie ihn liebten; weil in ihren Blicken Beobachtung war und Teilnahme, Erwartung und Besorgtheit; weil man auch vor ihnen nichts tun konnte, ohne zu freuen oder zu kränken.«

Quelle

Rilke • Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge [1910]

»Abgesehen davon wird die wahre Großmut stets von einer gewissen Bescheidenheit begleitet. Diese besteht im Nachdenken über die Schwäche unserer Natur und über die Fehler, die wir möglicherweise einst begangen haben oder demnächst begehen werden, und die nicht weniger schwerwiegend sind als die Fehler, die von anderen begangen werden können.«

Quelle

Samuel von Pufendorf: Über die Pflichten des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur. Hrsg. und übers. von Klaus Luig. Frankfurt am Main: Insel, 1994, S. 78-81. – © Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig. Alle Rechte vorbehalten durch Insel Verlag Berlin.

»Ob du mir der verworfenste, elendste Bösewicht scheinest – du bist darum doch, was ich bin; denn du kannst mir sagen: Ich bin. Du bist darum doch mein Gesell und mein Bruder.«

Quelle

Johann Gottlieb Fichte: Fichtes Werke. Hrsg. von Immanuel Hermann Fichte. Bd. 1: Zur theoretischen Philosophie 1. Berlin: de Gruyter 1971, S. 413-416.

»Wie groß auch die Verschiedenheit der Sitten sein mag, es bleibt immer ein gemeinschaftlicher Grund und Boden unangetastet; derselbe macht das Wesen des Geschöpfes aus, an welchem die Abänderungen sich ansetzen, die es von außen empfängt. Die Unversehrtheit dieses Wesens gibt dem Geschöpf seinen Werth; wir wollen dasselbe die Würde nennen.«

Quelle

Pierre-Joseph Proudhon: Die Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche. Neue Principien praktischer Philosophie. Übers. von Ludwig Pfau. Hamburg: Meißner und Zürich: Meyer & Zeller 1858, S. 56f.

»Bei jedem Menschen, mit dem man in Berührung kommt, unternehme man nicht eine objektive Abschätzung desselben nach Wert und Würde, ziehe also nicht die Schlechtigkeit seines Willens noch die Beschränktheit seines Verstandes und die Verkehrtheit seiner Begriffe in Betrachtung, da ersteres leicht Haß, letzteres Verachtung gegen ihn erwecken könnte; sondern man fasse allein seine Leiden, seine Not, seine Angst, seine Schmerzen ins Auge – da wird man sich stets mit ihm verwandt fühlen.«

Quelle

Arthur Schopenhauer: Parerga und Paralipomena. Kleine philosophische Schriften II. In: Arthur Schopenhauer: Sämtliche Werke. Hrsg. von Wolfgang Frhr. von Löhneysen. Bd. 3. Stuttgart: Cotta / Frankfurt am Main: Suhrkamp 1978, S. 239f.

»Normalerweise sprechen Menschen über die Religion anderer, wie sie ist, während sie über ihre eigene reden, wie sie sein soll.«

Quelle

The Meaning an End of Religion. A New Approach to Religious Traditions of Mankind (1962), Fortress Press, 1993, Smith, Wilfred Cantwell, Minneapolis. Entnommen aus: Schliter, Jens, Was ist Religion? Texte von Cicero bis Luhmann, Reclam, 2018.

»Unselige, grausame Menschenverachtung! Sie war es selbst, die jene traurige Erscheinungen der Unwissenheit und Sklaverei unter der Menge verewigte, indem sie den Ehrgeizigen zuerst über seinesgleichen hob […].«

Quelle

Georg Forster: Über die Beziehung der Staatskunst auf das Glück der Menschheit und andere Schriften. Hrsg. von Wolfgang Rödel. Frankfurt am Main: Insel Verlag 1966, vmtl. S. 149f.

»Die Gerechtigkeit ist absolut, unwandelbar, nicht der Stufenleiter des Mehr oder Weniger unterworfen; sie ist das unverletzliche Maaß aller menschlichen Handlungen.«

Quelle

Pierre-Joseph Proudhon: Die Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche. Neue Principien praktischer Philosophie. Übers. von Ludwig Pfau. Hamburg: Meißner und Zürich: Meyer & Zeller 1858, S. 205.

»Was krank ist, und was gesund, mein Junge, darüber soll man dem Pfahlbürger lieber das letzte Wort nicht lassen. Ob der sich so recht aufs Leben versteht, bleibt eine Frage. Was auf dem Todes-, dem Krankheitswege entstanden, danach hat das Leben schon manches Mal mit Freuden gegriffen und sich davon weiter und höher führen lassen.«

Quelle

Thomas Mann • 2013 • Doktor Faustus (1947) • Fischer Verlag, S. 316f.

»Wird er bleiben und das ungefähre Leben nachlügen, das sie ihm zuschreiben, und ihnen allen mit dem ganzen Gesicht ähnlich werden? Wird er sich teilen zwischen der zarten Wahrhaftigkeit seines Willens und dem plumpen Betrug, der sie ihm selber verdirbt? Wird er es aufgeben, das zu werden, was denen aus seiner Familie, die nur noch ein schwaches Herz haben, schaden könnte? Nein, er wird fortgehen.«

Quelle

Rilke • Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910)

»Wenn der Mächtge dein begehrt, Bist du ihm als Freund was wehrt, Wie die Noth von ihm gewichen, Ist die Freundschaft auch erblichen.«

Quelle

Ludwig Tieck • Der getreue Eckart und der Tannhäuser [1799/1812]

»Alle Gruppenmitglieder tragen gemeinsam zu einer umfassenden Bestimmung der Situation bei, die weniger auf echter Übereinstimmung über die Realität beruht als auf echter Übereinstimmung darüber, wessen Ansprüche in welchen Fragen vorläufig anerkannt werden sollen.«

Quelle

Erving Goffman, Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, Piper, 2019, München, S. 13

»Lebe mit deinem Jahrhundert, aber sey nicht sein Geschöpf; leiste deinen Zeitgenossen, aber was sie bedürfen, nicht was sie loben.«

Quelle

Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. Mit den Augustenburger Briefen hrsg. von Klaus L. Berghahn. [Neuner Brief]. Stuttgart: Reclam 2000, S. 33-37.

»Alle Nachahmung war ursprünglich eine spottende; daher bei allen Völkern das Schauspiel mit der Komödie anfing.«

Quelle

Jean Paul: Vorschule der Ästhetik. In: Werke. Bd. 5. Hrsg. von Norbert Miller. München. Hanser 1973, zwischen S. 105 oder S. 115.

»Mit einem Wort, wenn man um Vorkommnisse und Lagen, die das Leben des einzelnen oder der Gemeinschaft bedrohen und die sich selbst durch ihre natürlichen Folgen bestrafen, einen Kreis zieht, so bleibt außerhalb dieses Gebietes der Leidenschaft und des Kampfes, in einer neutralen Zone, wo der Mensch dem Menschen einfach ein Schauspiel ist, eine gewisse Trägheit des Körpers, des Geistes und des Charakters, die die Gesellschaft auch noch beseitigen möchte, um die größtmögliche Elastizität und Vergesellschaftung ihrer Glieder zu erzielen. Diese Trägheit ist das Komische, und das Lachen ist ihre Strafe.«

Quelle

Henri Bergson: Das Lachen. [Le rire, 1900.] Deutsch von Julius Frankenberger und Walter Fränzel. Jena: Diederichs 1921, S. 18. – © 2005 Heinrich Hugendubel Verlag, München.

»Wenig Maßnahmen eignen sich besser zur Erzeugung von Unglücklichkeit, als die Konfrontierung des ahnungslosen Partners mit dem letzten Glied einer langen, komplizierten Kette von Phantasien, in denen er eine entscheidende, negative Rolle spielt.«

Quelle

Watzlawik, Paul, Anleitung zum Unglücklichsein, München/Zürich, Piper Verlag, 1987 [1983], S. 38.

»Die Würde hat zur Maxime oder Leistungsregel die körperliche und geistige Glückseligkeit; so daß diese drei Begriffe, Glückseligkeit, Würde und Sitte adäquat und solidarisch sind und sich logischer Weise nie im Widerspruch befinden können.«

Quelle

Pierre-Joseph Proudhon: Die Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche. Neue Principien praktischer Philosophie. Übers. von Ludwig Pfau. Hamburg: Meißner und Zürich: Meyer & Zeller 1858, vmtl. S. 61f.

»Das Kennzeichen eines toten Lebens ist, daß es ein Leben ist, zu dessen Wächter der Andere sich macht.«

Quelle

Jean-Paul Sartre, Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie, Reinbeck bei Hamburg, Rowohlt, 1993, S. 670-690.

»Ein jeder Mensch hat rechtmäßigen Anspruch auf Achtung von seinen Nebenmenschen, und wechselseitig ist er dazu auch gegen jeden anderen verbunden. Die Menschheit selbst ist eine Würde; denn der Mensch kann von keinem Menschen (weder von anderen noch sogar von sich selbst) bloß als Mittel, sondern muß jederzeit zugleich als Zweck gebraucht werden, und darin besteht eben seine Würde (die Persönlichkeit) […].«

Quelle

Immanuel Kant: Die Metaphysik der Sitten. Mit einer Einl. hrsg. von Hans Ebeling. Stuttgart: Reclam 1990. • Kapitel: Von den Tugendpflichten gegen andere Menschen aus der ihnen gebührenden Achtung.

»Wenn der Dämon, der uns regiert, kein humaner Dämon ist, werden wir Plagegeister der Menschen.« 

Quelle

Johann Gottfried Herder: Briefe zur Beförderung der Humanität. Rudolstadt: Der Greifenverlag [o.J.], S. 60f.

»Freiheit hätte keinen Sinn, wenn sie nur zu inkonsistenten Selbstdarstellungen oder zu solchen führte, mit denen der Mensch sich nirgendwo sehen lassen kann.«

Quelle

Niklas Luhmann: Grundrechte als Institution. Ein Beitrag zur politischen Soziologie. Berlin: Duncker und Humblot 1999, zwischen S. 60 und S. 80 – © 1999 Ducker & Humblot GmbH, Berlin.

»Der Hochmuth, der Ehrgeiz, der Ruhm verletzen offen die Gerechtigkeit; sie rufen Mißtrauen, Haß und Widerstreit hervor – eine positive und direkte Mißachtung der Würde des Nächsten.«

Quelle

Pierre-Joseph Proudhon: Die Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche. Neue Principien praktischer Philosophie. Übers. von Ludwig Pfau. Hamburg: Meißner und Zürich: Meyer & Zeller 1858, vmtl. S. 191f.

»Mehr noch als ›Freiheit‹ ist ›Würde‹ ein Wunschbegriff, der […] die gelungene Selbstdarstellung bezeichnet. Die Würde des Menschen ist keineswegs eine Naturausstattung wie vermutlich gewisse Grundlagen der Intelligenz. Sie ist auch nicht einfach ein ›Wert‹, den der Mensch wegen einer bestimmten Naturausstattung ›hat‹ oder ›in sich trägt‹. Würde muß konstituiert werden. Sie ist das Ergebnis schwieriger, auf generelle Systeminteressen der Persönlichkeit bezogener, teils bewußter, teil unbewußter Darstellungsleistungen […]. Sie ist eines der empfindlichsten menschlichen Güter […]. Eine einzige Entgleisung, eine einzige Indiskretion kann sie radikal zerstören. Sie ist also alles andere als ›unantastbar‹. Gerade wegen ihrer Exponiertheit ist sie einer der wichtigsten Schutzgegenstände unserer Verfassung.«

Quelle

Niklas Luhmann: Grundrechte als Institution. Ein Beitrag zur politischen Soziologie. Berlin: Duncker und Humblot 1999, zwischen S. 60 und S. 80 – © 1999 Ducker & Humblot GmbH, Berlin.

»Geliebt zu werden, ist auf jeden Fall mysteriös. Nachzufragen, um Klarheit zu schaffen, empfiehlt sich nicht. Bestenfalls kann es der andere Ihnen überhaupt nicht sagen …«

Quelle

Watzlawik, Paul, Anleitung zum Unglücklichsein, München/Zürich, Piper Verlag, 1987 [1983], S. 98.

»So entfremdet uns die Existenz des Todes auch in unserem eigenen Leben ganz und gar zugunsten Anderer. Tot sein heißt, den Lebenden eine Beute sein.«

Quelle

Jean-Paul Sartre, Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie, Reinbeck bei Hamburg, Rowohlt, 1993, S. 670-690.

»Das Recht besteht für Jeden in der Befugniß, von dem Andern die Achtung der menschlichen Würde in seiner Person zu verlangen; die Pflicht, in der Verbindlichkeit für Jeden, diese Würde in dem Andern zu achten.«

Quelle

Pierre-Joseph Proudhon: Die Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche. Neue Principien praktischer Philosophie. Übers. von Ludwig Pfau. Hamburg: Meißner und Zürich: Meyer & Zeller 1858, vmtl. S. 191.

»Am meisten lachen die Menschen, deren Selbstgefühl sich weniger auf eigene Leistungen als vielmehr auf Wahrnehmung fremder Fehler gründet.«

Quelle

Hobbes, Thomas: Vom Menschen. Vom Bürger. Eingeleitet und hrsg. von Günter Gawlick. Hamburg: Meiner 1959, S. 33.

»Das Lachen bedarf offenbar des Echos. […] Der Kreis, in dem es herumgeht, kann groß oder klein sein; immer ist er geschlossen. Unser Lachen ist stets das Lachen einer Gruppe.«

Quelle

Henri Bergson: Das Lachen. [Le rire, 1900.] Deutsch von Julius Frankenberger und Walter Fränzel. Jena: Diederichs 1921, S. 5ff. – © 2005 Heinrich Hugendubel Verlag, München.

»Eckbert war immer nur auf kurze Augenblicke froh, denn er fühlte es deutlich, daß ihn Hugo nur aus einem Irrthume liebe; jener kannte ihn nicht, wußte seine Geschichte nicht, und er fühlte wieder denselben Drang, sich ihm ganz mitzutheilen, damit er versichert seyn könne, ob jener auch wahrhaft sein Freund sey. Dann hielten ihn wieder Bedenklichkeiten und die Furcht verabscheut zu werden, zurück. In manchen Stunden war er so sehr von seiner Nichtswürdigkeit überzeugt, daß er glaubte, kein Mensch könne ihn seiner Achtung würdigen, für den er nicht ein völliger Fremdling sey.«

Quelle

Ludwig Tieck – Der blonde Eckbert [1797]

»Die Bescheidenheit ist eine Form der Gerechtigkeit, eine höfliche Art zu sagen, daß man, obwohl man sich die Rechte der eigenen Würde vorbehalte, sich nicht über seinen Nebenmenschen erheben und seiner Eigenliebe nichts zu Leide thun wolle.«

Quelle

Pierre-Joseph Proudhon: Die Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche. Neue Principien praktischer Philosophie. Übers. von Ludwig Pfau. Hamburg: Meißner und Zürich: Meyer & Zeller 1858, vmtl. S. 191f.

»Ich sagte, das Lachen sei ein Anzeichen von Schwäche; und wahrhaftig, wo fände man wohl ein offenkundigeres Symptom für unsere Hinfälligkeit als in dieser nervösen Zuckung, diesem dem Niesen vergleichbaren unwillkürlichen Krampf, den das Unglück unseres Mitmenschen auslöst?«

Quelle

Charles Baudelaire: Vom Wesen des Lachens. In: Ch. B.: Sämtliche Werke und Briefe in acht Bänden. Bd. 1. Hrsg. von Friedhelm Kemp [u.a.]. Übers. von Guido Meister [u.a.]. München: Heimeran 1977. Zw. S. 286 & 301. © Carl Hanser Verlag, München/Wien.

Es muß für ihn unbeschreiblich befreiend gewesen sein, daß ihn alle mißverstanden, trotz der verzweifelten Eindeutigkeit seiner Haltung. Wahrscheinlich konnte er bleiben. Denn er erkannte von Tag zu Tag mehr, daß die Liebe ihn nicht betraf, auf die sie so eitel waren und zu der sie einander heimlich ermunterten. Fast mußte er lächeln, wenn sie sich anstrengten, und es wurde klar, wie wenig sie ihn meinen konnten.

Quelle

Rilke 1910 • Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge.

»Achte die menschliche Würde ebenso sehr in Anderen wie in dir selbst. Die Nächstenliebe kommt erst nachher und zwar lange nachher; denn wir haben nicht die Freiheit, zu lieben, wohl aber die, zu achten; und Würde […] ist Gerechtigkeit.« 

Quelle

Pierre-Joseph Proudhon: Die Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche. Neue Principien praktischer Philosophie. Übers. von Ludwig Pfau. Hamburg: Meißner und Zürich: Meyer & Zeller 1858, vmtl. S. 98f.

»Mit jeder Kommunikation riskiert der Mensch seine Würde.«

Quelle

Niklas Luhmann: Grundrechte als Institution. Ein Beitrag zur politischen Soziologie. Berlin: Duncker und Humblot 1999, zwischen S. 60 und S. 80 – © 1999 Ducker & Humblot GmbH, Berlin.

»Bei plötzlicher Freude über ein Wort, eine Tat, einen Gedanken, die das eigene Ansehen erhöhen, das fremde mindern, werden außerdem häufig die Lebensgeister empor getrieben, und dies ist die Empfindung des Lachens.«

Quelle

Hobbes, Thomas: Vom Menschen. Vom Bürger. Eingeleitet und hrsg. von Günter Gawlick. Hamburg: Meiner 1959, S. 33.

»Denn Selbstdarstellung ist jener Vorgang, der den Menschen in Kommunikation mit anderen zur Person werden läßt und ihn damit in seiner Menschlichkeit konstituiert. Ohne Erfolg in der Selbstdarstellung, ohne Würde, kann er seine Persönlichkeit nicht benutzen. Ist er zu einer ausreichenden Selbstdarstellung nicht in der Lage, scheidet er als Kommunikationspartner aus […]. Der Mensch soll sich vor jedermann sehen lassen können!«

Quelle

Niklas Luhmann: Grundrechte als Institution. Ein Beitrag zur politischen Soziologie. Berlin: Duncker und Humblot 1999, zw. S. 60 & S. 80 – © 1999 Ducker & Humblot GmbH, Berlin.

»Beruht nicht alle Liebe zum Menschen auf der sympathievollen, brüderlich-mitbeteiligten Erkenntnis dieser seiner fast hoffnungslos schwierigen Situation? Ja, es gibt einen Menschheitspatriotismus auf dieser Basis: man liebt den Menschen, weil er es schwer hat – und weil man selbst einer ist.«

Quelle

Thomas Mann: Goethe und Tolstoi. in: Thomas Mann, Leiden und Größe der Meister, Frankfurt am Main: S. Fischer, 1982, S. 53. – © 1982 S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main.

»Solange ich lebe, kann ich Lügen strafen, was der Andere von mir entdeckt …«

Jean-Paul Sartre, Das Sein und das Nichts.
Versuch einer phänomenologischen Ontologie,
Reinbeck bei Hamburg, Rowohlt, 1993.

»Die Eitelkeit ist so tief im Herzen des Menschen verankert, daß ein Soldat, ein Troßbube, ein Koch, ein Lastträger sich rühmt und seine Bewunderer haben will; und die Philosophen selbst wollen welche haben; und die, welche dagegen schreiben, wollen den Ruhm haben, gut geschrieben zu haben; und die es lesen, wollen den Ruhm haben, es gelesen zu haben; und ich, der ich dieses schreibe, habe vielleicht auch dieses Verlangen; und jene, die es lesen werden …«

Blaise Pascal, Gedanken. Nach der endgültigen Ausgabe übertragen von Wolfgang Rüttenauer. Einf. von Romano Guardini, Schibli-Doppler, 1976, Birsfelden-Basel, Nr. 147, S. 66.

»Es bleibt jedem Gruppenmitglied freigestellt, die vorläufig offizielle Meinung in jenen Punkten zu bilden, die für ihn entscheidend, aber für die anderen nicht von unmittelbarer Bedeutung sind … Als Gegenleistung bleibt er in Fragen, die für ihn ohne entscheidende Bedeutung sind, stumm oder äußert sich unverbindlich.«

Erving Goffman, Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, Piper, 2019, München, S. 13

»Undenkbar wäre ein Fest, an dem nichts Gemeinsames geschähe und an dem jeder still vor sich hin sein mitgebrachtes Essen herunterschlänge. Auch wenn es grausam zugeht, Blut fließt und Menschen geopfert werden: Ein Fest feiert man gemeinsam.«

Brenner/Zirfas ›Feste Feiern‹
Reclam 2002 • Lexikon der Lebenskunst, S. 108

Hörempfehlung zum Thema ›Projekt Weltverbesserung – Alles ist Vergleich. Vergleich ist alles.‹ von Tina Klopp am 21.06.2020 im Deutschlandfunk (›Essay und Diskurs‹).

Hier geht’s zum Radiobeitrag.

Beschreibung: »Sich zu vergleichen, heißt es immer, mache doch nur unglücklich. Wenn das mal kein Ablenkungsmanöver ist! Zugegeben ist es alles andere als einfach, sich zu vergleichen.« (Quelle: www.deutschlandfunk.de).

Ist für uns die Welt interessiert, weil wir sie mit anderen teilen – oder gewinnt unser Erleben erst in der Einsamkeit an Intensität?

Würdige Gründe

Zweifel und Gedanken zur Menschenwürde.

Obwohl sich die Menschenrechte auf die Annahme einer dem Menschen von sich aus innewohnenden Würde stützen, und obwohl beachtliche rhetorische und politische Anstrengungen unternommen werden, ihrer Gültigkeit überall auf dem Erdenrund zur Anerkennung zu verhelfen, ist ihr Fundament gerade dort brüchig geworden, wo es sie einst mit ihrem ganzem Gewicht tragen und in eine ihnen feindselig gesonnene Welt hinaus wachsen lassen konnte.

Ob es überhaupt eine dem Menschen von Natur aus zukommende Würde gibt, ist fraglich geworden. Unser Weltbild hat sich seit einer Weile erheblich verändert, die Konstellation unserer althergebrachten Grundbegriffe dergestalt verschoben, dass manche von ihnen isoliert zurückbleiben und lose durch den Raum der Ideen schwanken. Die Menschenwürde ist eine solcher heimatvertriebenen Ideen.

Diese Einsicht ist nicht nur Philosophen zur Aufgabe geworden, sondern findet ihren wirkmächtigen Niederschlag auch in den Leitfäden zur Gesetzesinterpretation, so in dem neuen Kommentar zu Artikel 1 des Grundgesetzes von Matthias Herdgen, der 2003 den alten maßgeblichen Kommentar von Günter Dürig ablöste. Darin wird der Bezug zur natürlichen ›Wesenswürde‹ des Menschen aufgelöst und sinngemäß eine Hinwendung zur selbstbestimmten Ethik vollzogen. Statt auf ›metaphysische‹ Prinzipien beruft man sich auf eine gemeinschaftliche ›volonté générale‹. Wir wollen den Menschen würdigen, daher schreiben wir ihm Würde zu.

Dieser argumentative Wechsel ist mehr als verständlich. Er ist Ausdruck eines Zeitgeistes, der schon während der Ausarbeitung, Proklamation und Begründung der ›Würde‹ ihre Fundamente zweiflerische umwehte. Es ist nur konsequent, Prinzipien der kollektiven Daseinsgestaltung aus dem freien Willen der Menschen, nicht aus der Natur oder aus göttlichen Gnaden abzuleiten.

Und dennoch: Kann der gemeinschaftliche Wille eines Kollektivsubjekts oder der ›Eliten‹, der Rechtsgeber, Rechtssprecher, Rechtsexegeten den freien Intellekt des Individuums überzeugen? Was antworten die Repräsentanten des Staates dem Einzelnen, dem neu Hinzukommenden, wenn er fragt: Warum? Warum sollte ich in meinen Mitmenschen Würde anerkennen? Hat die Gesellschaft auf diese Frage gute Antworten parat oder kann sie nur ihre Übermacht vorweisen? Kann sie nicht nur sagen: »Wir wollen so. Entweder willst du, wie wir wollen oder handle wenigstens so, als würdest du wollen, wie wir wollen. Dich mit guten Argumenten zu überzeugen, das aber vermögen wir nicht.«

Anders ausgedrückt: Die Gesellschaft hat ein Problem, ihr Postulat von der menschlichen Würde zu begründen. Ihre Autoritäten können sie nur als Dogma setzen und ihre Anerkennung fordern. Das war früher anders, als man die Würde des Menschen mit seiner Vernunftbegabung, seiner Herausgehobenheit aus der Natur, seiner Gottebenbildlichkeit oder der Menschwerdung Jesu‘ ›begründen‹ konnte.

Meine Überlegungen zur Menschenwürde gehen vorläufig von der Annahme aus, dass a) eine Begründungsaporie im gegenwärtigen Diskurs um die Menschenwürde besteht, dass b) die aktuellen argumentativen Bezugnahmen auf die Würde des Menschen von einer willkürlichen Setzung, einem Dogma ausgehen müssen, und dass c) Dogmen sowohl philosophisch unzureichend als auch – auf lange Sicht – praktisch gefährlich sind, als da sie nur ›hart‹ vermittelt, d.h. mit heimlicher Gewaltandrohung durchgesetzt oder per Manipulation dem Einzelnen imprägniert werden können, und nicht ›weich‹ vermittelt, d.h. einem aufgeklärten Subjekt mit guten Gründen dargeboten, so dass es sie in Freiheit aus eigener Einsicht annehmen darf und soll.

Naheliegend wäre eine weitere Option, nämlich dass der Einzelne aus freiem Ermessen die ›volonté générale‹ übernimmt, schlicht weil er dem Gemeinwohl von sich aus und ohne weitere Begründung große Bedeutung beimisst. Würde wäre hier ein akzeptables praktisches Prinzip, das sich fraglos integrieren lässt. Für einen solchen Menschen gibt es keine moralischen Probleme außer solche, die sich in der detaillierten Abwägung einzelner ethischer Komponenten in konkreten Situationen erschöpfen. Wir wollen aber dem Zweifler begegnen, dem Zweifler in uns, der auch gute Gründe haben möchte statt bloß praktikable Setzungen.

Daher treibt uns die Frage um: In welchem Sinne gibt oder gibt es keine Menschenwürde? Woraus ließe sie sich herleiten? Was ist ihr argumentatives Fundament?

Die moderne Kritik an der Menschenwürde als ›Wesenswürde‹, also als ein jedem Menschen seines Wesens wegen zukommender Wert, adressiert die sogenannte ›Wesensphilosophie‹, die von einigen Gegnern geradezu mit ›Metaphysik‹ schlechthin gleichgesetzt wurde. Dieser Angriff ist richtig, wenn er auch Metaphysik unrechtmäßig auf eine einzige ihrer Gestalten reduziert. Richtig ist er, weil er an einer Zweideutigkeit im Begriff von ›Wesen‹ ansetzen kann, die in der auf Platon zurückgehenden Tradition von Anfang an problematisch war. Wesen – als ἰδέα – kann nämlich heißen:

  1. Das Was-Sein einer Sache. Alle einzelnen Menschen, die es je gab, die jetzt leben, und die noch geboren werden, sind Menschen. Man erkennt sie als solche wieder, in gewissem Maße unabhängig von ihrer individuellen Beschaffenheit. Ich muss nicht bei jedem Menschen, der mir begegnet, eine neue Gattung, eine neue Kategorie von Sachen in mein Denken einführen, sondern kann mit Recht auf ein schon bestehendes Muster zurückgreifen, in das sich der einzelne Begegnende ohne großen Widerstand einfügt. Dieses Muster ist sein Wesen.
  2. Das Wesen einer Sache kann aber auch bedeuten: das was sie eigentlich ist im Unterschied zu dem, was sie empirisch – der eigenen Erfahrung nach – ist oder zu sein scheint. So verstanden bezeichnet ›Wesen‹ gewissermaßen die genetische Struktur, den Bauplan oder das innerlich vorgesehene Entwicklungsgesetz für das Dasein einer Sache. Je nachdem, inwieweit die tatsächliche Existenz dem Wesen der Sache entspricht, kann sie zu ihrer ›Bestimmung‹ gelangen oder sie verfehlen. Die Pflanze hätte grünen und blühen sollen, jedoch der Boden war zu nährstoffarm, die Witterung hart und so verkam sie kümmerlich, ohne ihr inneres Potential, die in ihrem Samen vorprogrammierte Existenz zu entfalten. Ein Stuhl kann, obgleich mit großer Hingabe gestaltet, seine Funktion nicht erfüllen, wenn er unzweckmäßig konstruiert ist, etwa wenn er nur zwei Beine hat. Die dem Stuhl wesentlich zukommende Eigenschaft ist nämlich, sich darauf setzen zu können. Analog vermag gemäß diesem Konzept aber auch der Mensch zu versagen: Im Mittelalter konnten wir als Geschöpfe Gottes, mit der Ehre seiner besonderen Zuwendung bedacht, durch die ›Sünde‹ unser Wesen und damit unsere eigentliche innere Bestimmung verletzen, uns, »die wir zur Partnerschaft mit den Engeln und zur Gemeinschaft mit Gott bestimmt sind«, durch die Sünde »erniedrigen« lassen (so z.B. bei Erasmus von Rotterdam). Der Grundgedanke vom Wesen in diesem Sinne leitet sich von der antiken Ideenlehre her. Er kann zur logischen Konsequenz haben, dass etwas nicht das ist, was es eigentlich ist. Übertragen auf den Menschen bedeutet das unter anderem, dass ein Mensch unmenschlich handeln kann, was im Rahmen der obigen ersten Bedeutung gar nicht möglich wäre.

Es ist das Wesen in der zweiten Bedeutung, gegen das sich die Kritik an der ›Wesensphilosophie‹ und damit an der ›Wesenswürde‹ des Menschen richtet. In der Tat ist dieser Wesensbegriff höchst fragwürdig. Es liegt auf der Hand, wie leicht sich dieses angenommene ›innere‹ oder ›eigentliche‹ Sein ins Moralische wendet. Der Mensch sollte so sein, wie er eigentlich, wie er im Grunde doch schon immer ist. Das innere Wesen wartet gewissermaßen darauf, dass der äußerliche Mensch sich seiner besinnt, es erkennt, und daraufhin sein äußeres Sein dem Inneren angleicht. Diese Denkfigur hat große Bedeutung im Bereich der Lebensgestaltung. Sie gibt ein Erkenntnis- und Handlungsprogramm vor, an dem man sich einen ganzen Lebenslauf hindurch abarbeiten kann.

In Wahrheit aber gibt es genug Grund, an ihr zu zweifeln. Nicht zuletzt deshalb, weil die Position dieses ›Inneren‹, des ›Wesens‹ des Menschen im zweiten Sinne im Laufe der Geschichte von so vielen verschiedenen Konzepten besetzt worden ist, dass man fragen muss, wieviel Glaubwürdigkeit eine Wesensbeschreibung dieser Art wirklich haben kann. Vor allem weisen die Beschreibungen der ›Humanität‹ einen heftigen Zug zu überstiegenen Idealen, ja hin und wieder zu grellem Heiligenschein auf. Das Wesen des Menschen ist wahlweise mitfühlend, liebevoll, kreativ, ausgeglichen, selbstbewusst, vernünftig, wach – und meistens auch wertvoll.

Wir gehen an dieser Stelle einmal davon aus, dass es sich bei diesen Wesensbeschreibungen mehr um Präskriptionen denn um Deskriptionen handelt, darum, wie der Mensch sein soll, weniger darum, wie er seinem Wesen nach ist (in der ersten Bedeutung), und ganz gewiss nicht darum, wie er empirisch ist – letzteres war ja auch nie intendiert. In allen Versionen dieser Gedankenfigur gibt es ein Verhältnis des tatsächlichen zum wesentlichen Sein. Der Mensch kann sich von sich selbst entfremden, er kann in Unkenntnis seines eigentlichen Seins in die Irre gehen, sich an Äußerlichkeiten verschwenden, weil er sich selbst verkennt, er kann asozial und menschenfeindlich werden, wo er doch im Innersten seines Wesens ein Mit-Mensch ist – auch wenn er das vergessen hat –, er kann sich von der Natur abtrennen, seine Spiritualität verschütt gehen lassen, sich seine kraftvolle Primitivität abgewöhnen u.a.m.

Es geschieht auch, dass der Mensch sein Potenzial zur Vernunftausübung faktisch nicht wahrnehmen kann. Wird er deswegen seinem Wesen nicht gerecht werden? Dergleichen könnte und müsste man – was zynisch anmutet – sogar für den geistig Behinderten behaupten, den Senilen, das Kleinkind oder den Embryo. Zuletzt kann der Mensch, obgleich mit unveräußerlicher Würde ausgestattet, sich unwürdig verhalten. Es hängt von der jeweiligen Würdekonzeption ab, ob er dadurch seiner Würde verlustig geht oder ob er nur ›unter sich‹ fällt, d.h. unter den Anspruch, mit dem ihn sein eigenes Wesen konfrontiert – zu sein, was er ist. Im Fall der Würde wäre es traditionell v.a. die Achtung bzw. die Selbstachtung, die der eigenen Würde angemessen gilt.

Dieser ganze begriffliche Bau hat gemeinhin nichts von seiner Popularität eingebüßt. In den maßgeblichen gesellschaftlichen Kreisen, die mehrfach und heftig von postmodernen Dekonstruktions- und Destruktionsprojekten geläutert wurden, darf er aber als gestürzt und überrannt gelten. In seiner alten Architektur lässt er sich auch gewiss nicht mehr zu neuer Standfestigkeit errichten.

Und dennoch, so hatten wir oben festgestellt, kommt uns auch der mutige Entschluss zu Dogmatismus, Kollektivgläubigkeit, zu Konvention und Willkür philosophisch mangelhaft vor. Deshalb muss die Frage von oben noch einmal gestellt werden: In welchem Sinne gibt oder gibt es nicht so etwas wie eine dem Menschen von sich aus zukommende und sich uns von sich aus zusprechende, uns ansprechende, womöglich sogar anklagende Würde, einen Anspruch, der sich an uns richtet und sich nicht widerstandslos unserer beliebigen Reinterpretation fügt?

Damit soll das Problem angerissen sein, welches demnächst noch zu einigen gelegentlichen Denknotizen Anlass geben soll. Es besteht letztlich in der Frage, ob Menschenwürde auch heute noch überzeugend begründet werden kann, etwa als Ergebnis der freien Einsicht in das Wesen des Menschen oder der Welt, oder ob uns ein kollektiver Dogmatismus allein noch übrig bleibt, der auf jede Form rationaler Vermittlung verzichten muss. Dass die Frage ausweglos ›korrumpiert‹ ist, weil sie erweisen will, wovon sie schon ausgeht, ist nur eine der Herausforderungen, die dieser Denkweg aufbietet.

Autor: Adrian

Hörempfehlung für philosophisch Interessierte: Ein Beitrag des BR2 über Solidarität, ausgestrahlt am 12.3.2020.

Hier geht’s zur Sendung.

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