Blog für Philosophie

Monat: Dezember 2022

»Die Verzweiflung des Teufels ist die intensivste Verzweiflung, denn der Teufel ist reiner Geist und somit absolutes Bewußtsein und Durchsichtigkeit; im Teufel gibt es keine Dunkelheit, die als mildernde Entschuldigung dienen könnte, seine Verzweiflung ist daher der absolute Trotz.«

Quelle

Kierkegaard, Søren 2005: Die Krankheit zum Tode. München: Deutscher Taschenbuch, S. 66.

»Kurzum, zwischen uns braucht’s keinen vierigen Wegscheid im Spesser Wald und keinen Zirkel. Wir sind im Vertrage und im Geschäft, – mit deinem Blut hast du’s bezeugt und dich gegen uns versprochen und bist auf uns getauft – dieser mein Besuch gilt nur der Konfirmation.«

Quelle

Mann, Thomas 2013 [1947]: Doktor Faustus. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch. S. 333.

»Man wird mich schwer davon überzeugen, daß die Geschichte des verlorenen Sohnes nicht die Legende dessen ist, der nicht geliebt werden wollte. Da er ein Kind war, liebten ihn alle im Hause. Er wuchs heran, er wußte es nicht anders und gewöhnte sich an ihre Herzweiche, da er ein Kind war. Aber als Knabe wollte er seine Gewohnheiten ablegen. Er hätte es nicht sagen können, aber wenn er draußen herumstrich den ganzen Tag und nicht einmal mehr die Hunde mithaben wollte, so wars, weil auch sie ihn liebten; weil in ihren Blicken Beobachtung war und Teilnahme, Erwartung und Besorgtheit; weil man auch vor ihnen nichts tun konnte, ohne zu freuen oder zu kränken.«

Quelle

Rilke • Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge [1910]

»Wenn die Klugheit die Streiche des Glücks nicht allemal verhindern kann, so kann doch Geduld einen Scherz aus seinen Beleidigungen machen. Der Beraubte, der dazu lächelt, stiehlt dem Räuber etwas, und der beraubt sich selbst, der sich in vergeblichem Kummer verzehrt.«

Quelle

Shakespeare • Othello [1603]

»Urplötzlich erwachte der Geist der Hölle und raste in mir. In einer Art Ekstase schlug ich auf den widerstandslosen Körper los und empfand Wonne bei jedem Schlag. Erst als sich Müdigkeit bei mir einstellte, wurde ich plötzlich, auf dem Höhepunkt meines Deliriums, bis ins Herz von kaltem Entsetzen gepackt. Der Nebel teilte sich, ich sah, daß mein Leben zerstört war und floh vom Schauplatz meiner Ausschweifung, frohlockend und zitternd zugleich, da meine Lust am Bösen befriedigt und angeregt, meine Liebe zum Leben aufs höchste gesteigert worden war.«

Quelle

Robert Louis Stevenson • Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde [1886]

»Der unbedingte Charakter unseres letzten Anliegens bedeutet, dass es sich auf jeden Moment unseres Lebens richtet, auf jeden Ort und jeden Bereich.«

Quelle

Paul Tillich, Aspekte einer religiösen Analyse der Kultur (1959), In: Paul Tillich, Gesammelte Werke. Bd. 9: Die religiöse Substanz der Kultur, De Gruyter, 1967, Tillich, Paul, S. 100f.

»Greift der Mensch von sich aus nach der Wahrheit, so greift er zum vornherein daneben.«

Quelle

Karl Barth, §17 Gottes Offenbarung als Aufhebung der Religion (1937), In: Barth, Karl, Kirchliche Dogmatik, Theologischer Verlag TVZ, 1993, I,2, Zürich.

»Wird doch das Alte beständig verdrängt von dem Neuen: es muß ihm

Weichen und immer sich eins aus dem anderen wieder ergänzen.

Niemand kann in dem Schlund und des Tartarus Dunkel versinken;

Denn man bedarf ja des Stoffs zur Bildung der nächsten Geschlechter,

Die dir alle jedoch einst folgen werden am Ende:

Vor dir nicht minder wie nach dir verfallen sie alle dem Tode.

So wird unaufhörlich das eine entstehn aus dem andern,

Keinem gehört ja das Leben zum Eigentum, allen zur Nutzung.«

Quelle

Lukrez, Von der Natur. Übers. von Hermann Diels. Eingef. und erl. von Ernst Günther Schmidt., Deutscher Taschenbuch, 1991, München.

»Das Leben ist lang, aber erscheint uns in der Vorstellung kurz. Warum? Weil wir die Vergangenheit nicht mehr zu uns rechnen, vergangnes Sein gleich Nichtsein anschlagen. Unsere Selbstliebe interessiert nur die Zukunft, nicht die Vergangenheit.«

Quelle

Ludwig Feuerbach, Die Unsterblichkeitsfrage vom Standpunkt der Anthropologie, in: Kleinere Schriften III (1846-1850), Werner Schuffenhauer (Hrsg.), Akademie, 1971, Berlin, S. 210-224.

»Wenn der Tod des Anderen existentielle Erschütterung und nicht bloß ein objektiver mit partikularen Gemütsbewegungen und Interessen begleiteter Vorgang ist, so ist Existenz in der Transzendenz durch ihn heimisch geworden: was zerstört wird durch den Tod, ist Erscheinung, nicht das Sein selbst. Es ist die tiefere Heiterkeit möglich, die auf dem Grunde unauslöschlichen Schmerzes ruht.«

Quelle

Karl Jaspers, Philosophie. Zweiter Band: Existenzerhellung, Berlin, Julius Springer, 1932, S. 220-229.

»Denn jede Form von Rohheit ist ein Zeichen von Schwäche.«

Quelle

Seneca, Vom glücklichen Leben, in: Handbuch des glücklichen Lebens. Philosophische Schriften. Aus dem Lat. übers. und hrsg. von Heinz Berthold, Anaconda, Köln 2011, S. 132.

»Weisem Mann ja ziemt, zu üben

maßvolle Gelassenheit.«

Quelle

Euripides, Die Bakchen • Reclam 2005, S. 27, V. 640f. (Dionysos)

Wunsch um Wünsche zu erlangen

Schaue nach dem Glanze dort!

Leise bist du nur umfangen,

Schlaf ist Schale, wirf sie fort!

Säume nicht dich zu erdreisten

Wenn die Menge zaudernd schweift;

Alles kann der Edle leisten,

Der versteht und rasch ergreift.

Quelle

Johann Wolfgang von Goethe, Faust: Band I: Texte, Frankfurt am Main, Dt. Klassiker-Verlag, 2005, S. 203f. Faust II • Szene ›Anmutige Gegend‹ • Chor

»Wenn dich also einmal die schmutzige Wollust reizt, so sei darauf bedacht, ihr sogleich mit diesen Waffen zu begegnen: Bedenke besonders, wie unrein, wie schmutzig, wie jedes Menschen unwürdig diese Begierde ist, die uns, die wir Geschöpfe Gottes sind, nicht nur dem Kleinvieh, sondern auch den Schweinen, Böcken, Hunden, den unvernünftigsten der unvernünftigen Tiere gleichmacht. Ja, sie erniedrigt uns, die wir zur Partnerschaft mit den Engeln und zur Gemeinschaft mit Gott bestimmt sind, noch unter den Rang der Tiere.«

Quelle

Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften. Ausgabe in acht Bänden. Lat./Dt. Hrsg. von Werner Welzig. Bd. 1: Epistola ad Paulum Volzium / Briefe an Paul Volz. Enchiridion militis christiani / Handbüchlein eines christlichen Streiter. Übers., eingel. und mit Anm. versehen von Werner Welzig. Darmstadt: WBG 1968, vmtl. S. 331 (Gegen die Wollust) – © 1968 WBG, Darmstadt.

»Welch ein Meisterwerk der Mensch! wie edel durch Vernunft! wie unbegrenzt an Fähigkeiten! in Gestalt und Bewegung wie bedeutend und wunderwürdig! im Handeln wie ähnlich einem Engel! im Begreifen wie ähnlich einem Gott! die Zierde der Welt! das Vorbild der Lebendigen! Und doch, was ist mir diese Quintessenz von Staube?« (HAMLET)

Quelle

William Shakespeare: Hamlet, Prinz von Dänemark. Tragödie. Übers. von August Wilhelm Schlegel. Hrsg. von Dietrich Klose. Stuttgart: Reclam 2001, S. 48.

»Wer hat ihm in den Kopf gesetzt, daß dieser bewundernswürdige Reigen des Himmelsgewölbes; das ewige Licht dieser Flammenkörper, die so erhaben über seinem Haupte kreisen, die ungeheuren Bewegungen dieses unendlichen Meeres zu seiner Annehmlichkeit und zu seinen Diensten geschaffen und so viele Jahrhunderte in Gang gehalten wurden?«

Quelle

Michel de Montaigne: Essais. Ausw. und Übers. von Herbert Lüthy. Zürich: Manesse Verlag, 1953. S. 421-435. – © 1953/2000 Manesse Verlag, Zürich, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

»Der Mensch soll nicht glauben, er gleiche den Tieren oder den Engeln, er soll auch nicht in Unkenntnis des einen oder des anderen sein, sondern beides wissen.« 

Quelle

Blaise Pascal: Gedanken über die Religion und einige andere Themen. Hrsg. von Jean-Robert Armogathe. Aus dem Frz. übers. von Ulrich Kunzmann. Stuttgart: Reclam, 1997, vmtl. S. 84.

»Alles ferner, […], alles, was mit der Freyheit des Menschen streitet, was ihren Gebrauch einschränket und hindert, das streitet mit der Würde der Menschheit […].«

Quelle

Georg Joachim Zollikofer: Predigten über die Würde des Menschen, und den Werth der vornehmsten Dinge, die zur menschlichen Glückseligkeit gehören, oder dazu gerechnet werden. Bd. 1. Reutlingen: Grözinger, 1790, 2. Predigt.

»Abgesehen davon wird die wahre Großmut stets von einer gewissen Bescheidenheit begleitet. Diese besteht im Nachdenken über die Schwäche unserer Natur und über die Fehler, die wir möglicherweise einst begangen haben oder demnächst begehen werden, und die nicht weniger schwerwiegend sind als die Fehler, die von anderen begangen werden können.«

Quelle

Samuel von Pufendorf: Über die Pflichten des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur. Hrsg. und übers. von Klaus Luig. Frankfurt am Main: Insel, 1994, S. 78-81. – © Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig. Alle Rechte vorbehalten durch Insel Verlag Berlin.

»Als die bildende Mutter Natur ihre Werke vollbracht und alle Formen erschöpft hatte, die auf dieser Erde möglich waren, stand sie still und übersann ihre Werke; und als sie sah, daß bei ihnen allen der Erde noch ihre vornehmste Zierde, ihr Regent und zweiter Schöpfer fehlte: siehe, da ging sie mit sich zu Rat, drängte die Gestalten zusammen und formte aus allen ihr Hauptgebilde, die menschliche Schönheit.«

Quelle

Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Berlin/Weimar: Aufbau Verlag 1965, S. 113.

»Ehe noch die Wahrheit ihr siegendes Licht in die Tiefen der Herzen sendet, fängt die Dichtungskraft ihre Strahlen auf, und die Gipfel der Menschheit werden glänzen, wenn noch feuchte Nacht in den Thälern liegt.«

Quelle

Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. Mit den Augustenburger Briefen hrsg. von Klaus L. Berghahn. [Neuner Brief]. Stuttgart: Reclam 2000, S. 33-37.

»Ob du mir der verworfenste, elendste Bösewicht scheinest – du bist darum doch, was ich bin; denn du kannst mir sagen: Ich bin. Du bist darum doch mein Gesell und mein Bruder.«

Quelle

Johann Gottlieb Fichte: Fichtes Werke. Hrsg. von Immanuel Hermann Fichte. Bd. 1: Zur theoretischen Philosophie 1. Berlin: de Gruyter 1971, S. 413-416.

»Erst durch das Aufheben der natürlichen Unbändigkeit und durch das Wissen, daß ein Allgemeines, Anundfürsichseiendes das Wahre sei, erhält der Mensch eine Würde, und dann ist erst das Leben selbst auch etwas wert.«

Quelle

Georg Wilhelm Friedrich Hegel: werke. Radeaktion von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Bd. 16: Vorlesungen über die Philosophie der Religion I. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1969, S. 301.

»Der Mensch wirkt überhaupt entweder durch seine Person, oder sein Werk. Aber der grosse Mensch prägt seine Person auch seinem Werke ein, und erhält dadurch sein Daseyn weit über die Spanne seines Lebens hinaus.«

Quelle

Wilhelm von Humboldt: Werke in fünf Bänden. Hrsg. von Andreas Flitner und Klaus Giel. Bd. 1: Schriften zur Anthropologie und Geschichte. Stuttgart: Cotta 1960, S. 506-515.

»Wie groß auch die Verschiedenheit der Sitten sein mag, es bleibt immer ein gemeinschaftlicher Grund und Boden unangetastet; derselbe macht das Wesen des Geschöpfes aus, an welchem die Abänderungen sich ansetzen, die es von außen empfängt. Die Unversehrtheit dieses Wesens gibt dem Geschöpf seinen Werth; wir wollen dasselbe die Würde nennen.«

Quelle

Pierre-Joseph Proudhon: Die Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche. Neue Principien praktischer Philosophie. Übers. von Ludwig Pfau. Hamburg: Meißner und Zürich: Meyer & Zeller 1858, S. 56f.

»Satin: Ich habe die Menschen immer verachtet, die um das Sattwerden gar zu besorgt sind. Nicht darauf kommt’s an, Baron! Nicht darauf! Der Mensch ist die Hauptsache! Der Mensch steht höher als der satte Magen! (Erhebt sich von seinem Platze.)«

Quelle

Maxim Gorki: Nachtasyl. Szenen aus der Tiefe in vier Akten. Übers. von August Scholz. Stuttgart: Reclam 1957, S. 90.

»Ich bejahe, ich ehre und liebe den Körper, wie ich die Form, die Schönheit, die Freiheit, die Heiterkeit und den Genuß bejahe, ehre und liebe, – wie ich die ›Welt‹, die Interessen des Lebens vertrete gegen sentimentale Weltflucht, – den Classicismo gegen die Romantik. Ich denke, meine Stellungnahme ist eindeutig. Eine Macht, ein Prinzip aber gibt es, dem meine höchste Bejahung, meine höchste und letzte Ehrerbietung und Liebe gilt, und diese Macht, dieses Prinzip ist der Geist.«

Quelle

Thomas Mann • Der Zauberberg, Frankfurt am Main, S. Fischer, 1952, vmtl. S. 344-347 © 1924 S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main • (Settembrini)

»Bei jedem Menschen, mit dem man in Berührung kommt, unternehme man nicht eine objektive Abschätzung desselben nach Wert und Würde, ziehe also nicht die Schlechtigkeit seines Willens noch die Beschränktheit seines Verstandes und die Verkehrtheit seiner Begriffe in Betrachtung, da ersteres leicht Haß, letzteres Verachtung gegen ihn erwecken könnte; sondern man fasse allein seine Leiden, seine Not, seine Angst, seine Schmerzen ins Auge – da wird man sich stets mit ihm verwandt fühlen.«

Quelle

Arthur Schopenhauer: Parerga und Paralipomena. Kleine philosophische Schriften II. In: Arthur Schopenhauer: Sämtliche Werke. Hrsg. von Wolfgang Frhr. von Löhneysen. Bd. 3. Stuttgart: Cotta / Frankfurt am Main: Suhrkamp 1978, S. 239f.

»Die Lagerwächter wußten genau, daß die Wahl des Augenblicks und der Mittel des eigenen Todes die Behauptung der eigenen Freiheit bedeutete. Das Ziel des Lagers war also gerade die Verneinung dieser Freiheit und also auch dieser Würde. Deshalb versuchten diese Wächter, mit allen Mitteln die Selbstmorde zu verhindern, auch wenn sie sonst mit soviel Leichtigkeit töteten.«

Quelle

Tzvetan Todorov: Angesichts des Äußersten. Aus dem Frz. von Wolfgang Heuer und Andreas Knop. München: Fink 1993, S. 71ff. – © 1993 Wilhelm Fink Verlag, München.

»Was dürfen wir anderes in der Arbeitsnoth aller der Millionen finden als den Trieb um jeden Preis dazusein, denselben allmächtigen Trieb, durch den verkümmerte Pflanzen ihre Wurzeln in erdloses Gestein strecken!«

Quelle

Friedrich Nietzsche: Der griechische Staat. In: F. N.: Sämtliche Werke. Krit. Studienausgabe in 15 Bnd. Hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Bd. 1: Die Geburt der Tragödie. Unzeitgemäße Betrachtungen I-IV. Nachgelassene Schriften 1870-1873. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1980, S. 765.

»Es liegt in der Natur der experimentellen Analyse menschlichen Verhaltens, daß diese die bislang dem ›autonomen Menschen‹ zugeschriebenen Funktionen eine nach der anderen der kontrollierenden Umwelt überträgt. Eine solche Analyse bewirkt, daß dem ›autonomen Menschen‹ immer weniger zu tun bleibt.«

Quelle

Burrhus Frederic Skinner: Jenseits von Freiheit und Würde. Übers. von Edwin Ortsmann. Reinbeck: Rowohlt 1973. – © Copyright für die deutsche Übersetzung von Edwin Ortmann 1973 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbeck bei Hamburg.

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