»Sokrates, sagte er, frevle, indem er die Jugend verderbe und die Götter, welche der Staat annimmt, nicht annehme, sondern anderes, neues, daimonisches…«

Σωκράτη φησὶν ἀδικεῖν τούς τε νέους διαφθείροντα καὶ θεούς, οὓς ἡ πόλις νομίζει, οὐ νομίζοντα, ἕτερα δὲ δαιμόνια καινά.

Platon, Apologia 24c

Die alten Athener müssen in dem keck impertinenten Denkartisten sofort den Betrüger und Schelm, den hinterhältigen ›Gefährder‹ bemerkt haben, der vielfach ›Dämonischem‹ Geburtshilfe leisten würde. Sie hätten gut daran getan, sich mit dem Vergiften zu beeilen. Jedoch das Gift kam leider schon zu spät.

Seitdem wird man sein Vermächtnis, die dekadenten Deszendenten jenes alten Sündenfällers, seine Erbschuld und ihren langen Bandwurm nicht mehr los. Der Dämon, der ihm einst von Erkenntnis säuselte und uns in tausend saure Äpfel beißen ließ, kriecht schlangengleich durch das Menschengeschlecht und sucht sich Jünglinge nach seinem Geschmack, um sie zu verführen, vom rechten Weg des Lebens abzubringen: zu Fäulnis und Fall.

Allen modernen Gegengiften zum Trotze beißt und kneift er, windet, drückt und schnürt er sich noch immer durch die Menschenhirne, schmeichelt, wispert und bezischt die hungrigen, einsamen Ohren da draußen. Sucht er ihnen letztenends nicht schlicht: vom Leben abzuraten?

Allein, um das zu sagen, müssten wir ihn vielleicht erst eigentlich verstehen

Könnte es deshalb nicht an der Zeit sein, seine Sprache zu lernen? Sollten wir uns nicht endlich einmal gründlich sein polytonales Gezischel aneignen? Wo doch diese uneindeutige Welt so ganz und gar der daimonialen Brut gehört, wie es scheint… Wartet er nicht etwa darauf, dass wir bei seinem düster schillernden Spektrum erst selbst ›in tausend Zungen‹ reden lernen? Es ist wahr, wir würden ihm sehr gerne auch endlich einmal antworten

Aber wer kann sie sprechen, wer verstehen, die daimonialischen Dialekte! Wer beherrscht die Zwitter-, Zwischen- und Zischelsprache, wer hat die rechte Zunge dafür, wer hat sich den zentralen Spalt eingeritzt?

Sein giftiges Flüstern tropft durch die Zeit. Allen Gebissenen, Verbissenen, Giftigen, Vergifteten und von Giften Zerrissenen da draußen entrichte ich meinen Gruß.

Viel Vergnügen beim Mischen von Tinkturen und Heilsalben, bei Therapeutica und Invocationica, Beschwören, Bannen und Verfluchen, bei euren tausenden Gesprächen mit dem Vielstimmigen und Gefährlichen, dem Dämonischen, in einem Wort: beim Denken.

»Und die Daimonen, halten wir die nicht für Götter – oder doch mindestens für die Kinder von Göttern? Was sagst du: ja oder nein?«

τοὺς δὲ δαίμονας οὐχὶ ἤτοι θεούς γε ἡγούμεθα ἢ θεῶν παῖδας; φῂς ἢ οὔ;

Platon, Apologia 27d